Mögliche Ansprüche des Geschädigten nach einem Verkehrsunfall
Selbst wenn die Verschuldensfrage bei einem Verkehrsunfall eindeutig ist und die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners eine Regulierungszusage erteilt, werden Geschädigte häufig um Schadenspositionen gebracht, die ihnen eigentlich zustehen.
So treten immer mehr Versicherungen unmittelbar nach dem Unfall mit den Geschädigten in Kontakt und bieten eine schnelle und unkomplizierte Abhilfe an. Dies mag auf den ersten Blick komfortabel und serviceorientiert erscheinen. Die Erfahrung zeigt aber, dass mit dieser Art des Schadensmanagements in erster Linie der Zweck verfolgt werden soll, die für die Versicherung entstehenden Kosten möglichst gering zu halten.
Häufig werden berechtigte Ansprüche der Geschädigten nicht vollumfänglich oder nicht in voller Höhe ausgeglichen. Welche Schadenspositionen den Geschädigten zustehen, ist einzelfallabhängig.
Die nachfolgende Auflistung soll einen nicht abschließenden Überblick vermitteln, welchen Umfang die Abwicklung eines Verkehrsunfallereignisses bisweilen erreichen kann. Hierbei ist zu beachten, dass die Ansprüche nur bei einem Alleinverschulden des Unfallgegners in voller Höhe bestehen können. Bei einer – sehr häufig bestehenden – eigenen Mitschuld werden die Schadensersatzansprüche nur quotal – also in Höhe des Mitverschuldens des Unfallgegners – befriedigt.
1. Reparaturkosten
Ist die Reparatur am beschädigten Fahrzeug möglich und wirtschaftlich sinnvoll, kann zumeist auf Reparaturkostenbasis abgerechnet werden. Der Geschädigte lässt in diesem Fall den Schaden an seinem Fahrzeug zunächst bewerten (in der Regel durch einen Sachverständigen, siehe unten) und gibt das Fahrzeug danach in die Reparatur.
Alternativ ist es auch möglich, auf so genannter fiktiver Basis abzurechnen. Dies bedeutet, dass der Fahrzeugschaden nicht repariert wird, die Netto-Reparaturkosten aber vom Schädiger erstattet verlangt werden können. Die Umsatzsteuer, welche bei einer Reparatur anfallen würde, wird bei dieser Regulierung nicht erstattet, da diese nicht anfällt.
Eine Reparatur ist ausgeschlossen, wenn ein Totalschaden vorliegt. Hierbei ist zwischen dem echten und dem wirtschaftlichen Totalschaden zu unterscheiden. Bei beiden wird die Regulierung anhand des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes des beschädigten Fahrzeugs vorgenommen. Auch diese Werte werden durch ein Sachverständigengutachten ermittelt.
In der Regel kann der Geschädigte bis zu einer Grenze von 130 % des Wiederbeschaffungswertes den beschädigten Pkw reparieren lassen. Hinsichtlich der Angaben in dem Gutachten besteht Vertrauensschutz. Dies bedeutet, dass, wenn der Pkw anhand des Gutachtens auf der 130-Prozent-Basis repariert wird, die Versicherung den darüber hinausgehenden Schaden ebenfalls zu ersetzen hat, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Kosten höher ausfallen.
2. Abrechnung auf Neuwagenbasis
Handelt es sich bei dem geschädigten Pkw um ein neuwertiges Fahrzeug, das nicht mehr als 1.000 km Laufleistung aufweist, dann ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, auf Neuwagenbasis abzurechnen, mit der Folge, dass vom Schädiger der Preis eines Neuwagens zu erstatten ist.
3. Leasingfahrzeuge
Handelt es sich bei dem Unfallfahrzeug um ein Leasingfahrzeug, so sollte sich der Leasingnehmer bewusst sein, dass er bei einem Unfall seinen Leasinggeber umgehend zu informieren hat und etwaige aus der Wertminderung erwachsende Zahlungen allein dem Leasinggeber zustehen. Gleichwohl hat der Leasingnehmer mit dem Leasingvertrag in der Regel sämtliche Rechte zur Schadenregulierungsübertragen bekommen und kann die Unfallregulierung grundsätzlich alleinverantwortlich übernehmen. Hier sollte der Leasingvertrag geprüft werden.
4. Wertminderung
Insbesondere abhängig von den Faktoren Fahrzeugalter, Unfallschaden und Laufleistung fällt regelmäßig eine Wertminderung des reparierbaren Pkws an. In welcher Höhe sich diese bemisst, stellt zumeist der beauftragte Kfz-Sachverständige (siehe unten) fest.
5. Sachverständigenkosten
Zu den Kosten, die der Unfallverursacher zu übernehmen hat, gehören auch die Kosten für die Beauftragung eines Sachverständigen. Vorsicht ist geboten bei sog. Bagatellschäden. Ist die Sachlage eindeutig und ein Sachschaden von weniger als ca. 800,00 EUR zu erwarten, ist die Beauftragung eines Sachverständigen regelmäßig nicht angezeigt. Um die Gefahr zu vermeiden, dass Versicherungen eine Übernahme der Sachverständigenkosten ablehnen, bietet sich vor Beauftragung eines Gutachterbüros häufig zunächst die Einholung eines kostengünstigeren oder sogar kostenneutralen Kostenvoranschlags an.
6. Nutzungsausfallentschädigung
In einem Sachverständigengutachten wird zugleich die Dauer für die Wiederbeschaffung bzw. die Reparatur angegeben. Diese Dauer steckt zunächst einmal den Zeitrahmen ab, in dem sich die Entschädigung für einen Nutzungsausfall bewegt. Durch eine verzögerte Schadenregulierung kann sich dieser Zeitrahmen jedoch entsprechend verlängern. Hier muss der Geschädigte gegenüber dem Versicherer nachweisen, dass er die Möglichkeit hatte, das Fahrzeug zu nutzen und auch den Willen dies zu tun.
7. Mietwagenkosten
Anstelle der Nutzungsausfallentschädigung bekommt der Geschädigte grundsätzlich auch die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs erstattet. Mit dem Abschluss eines Mietwagenvertrags weist der Geschädigte grundsätzlich seinen Nutzungswillen bereits nach. Probleme ergeben sich hier meistens hinsichtlich der Einstufung in eine bestimmte Mietwagenklasse, bei den so genannten Mietwagenersatztarifen sowie bei der Dauer der Anmietung.
8. Abschleppkosten
Auch die Abschleppkosten sind erstattungsfähig. Sie gehören zu den unmittelbaren Folgekosten des Unfalls.
9. Standgeld
Auch bei dem Standgeld (Kosten der Lagerung des Fahrzeugs nach dem Unfall) handelt es sich um so genannte Folgekosten des Unfallereignisses. Der Geschädigte muss aber im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht versuchen, unnötige Standkosten vermeiden.
10. Sicherheitsrelevante Gegenstände
Kosten für die Wiederbeschaffung insbesondere von Sicherheitsgurten, Motorradhelmen, Schutzkleidung und Kindersitzen, die durch einen Unfall beschädigt wurden, sind vom Schädiger ebenfalls zu ersetzen.
11. Entsorgungskosten
Entsorgungskosten für vollständig beschädigte Fahrzeuge sind auf Nachweis ebenfalls zu erstatten.
12. Umbaukosten
Der Schädiger muss dem Geschädigten grundsätzlich ein gleichwertiges Fahrzeug verschaffen. Das heißt, dass er auch die Kosten für Umbauten, z. B. eine HiFi-Anlage zu ersetzen hat. Daher ist darauf zu achten, dass bei besonders wertvollen Musikanlagen die Bewertung der Anlage in das Sachverständigengutachten mit aufgenommen wird.
13. An- und Abmeldekosten des Neu-/Altfahrzeugs
Auch diese Kosten sind mit Vorlage der Belege zu erstatten. Hatte das beschädigte Altfahrzeug ein Wunschkennzeichen, kann ein solches auch auf Kosten des Unfallverursachers für das Neufahrzeug erworben werden.
14. Verzugsschaden
Nur der Wertersatz beim Totalschaden sowie die Wertminderung unterfallen der sofortigen Verzinsung gemäß §§ 849, 246 BGB, jedoch erst nach Ablauf der Nutzungsentschädigung. Die im Übrigen zu erstattende Summe kann mit Eintritt des Zahlungsverzugs mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz in Rechnung gestellt werden.
15. Finanzierungsschaden
Der Schaden, der durch eine zusätzlich erforderliche Zwischenfinanzierung entsteht, kann erst mit Verzugseintritt geltend gemacht werden. Finanzierungskosten fallen meistens dann an, wenn der Geschädigte die Reparatur oder die Kosten für den Sachverständigen nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann.
16. Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung
Ist das Unfallfahrzeug vollkaskoversichert, kann der Unfall zunächst über die Vollkaskoversicherung reguliert werden. Die dann anfallende Selbstbeteiligung sowie die Erhöhung des Schadenfreiheitsrabatts kann als weiterer Schaden gegenüber dem Schädiger unmittelbar geltend gemacht werden.
17. Kostenpauschale
Vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer ist ebenfalls eine Kostenpauschale in Höhe von 20,00 bis 25,00 EUR – abhängig vom zuständigen Gerichtsbezirk – zu zahlen.
18. Anwaltskosten
Ersetzt werden die erforderlichen Anwaltskosten. Allein diese Aufstellung zeigt, dass schon bei der Regulierung kleinerer Unfallschäden die Einschaltung eines Anwalts zur außergerichtlichen Interessenwahrnehmung erforderlich sein kann. Die Anwaltskosten werden in der Regel ohne Abzüge von der gegnerischen Versicherung übernommen.
19. Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden
Wurde durch den Unfall eine oder mehrere Personen verletzt, kann auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld bestehen; daneben könnte sogar ein sog. Haushaltsführungsschaden geltend gemachten werden, wenn der Geschädigte durch den Unfall nicht oder nur noch eingeschränkt in der Lage ist, seinen Haushalt selbst zu führen. Die Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes, so denn eine Verletzung vorliegt, wird jeweils im konkreten Einzelfall zu bemessen sein. Als Orientierung dienen so genannte Schmerzensgeldtabellen. Diese sind jedoch nicht bindend.
20. Vermehrte Bedürfnisse
Vermehrte Bedürfnisse gemäß § 843 Abs. 1 BGB sind sämtliche unfallbedingt zeitweilig oder dauerhaft wiederkehrende Aufwendungen, die dazu dienen, diejenigen finanziellen Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten infolge der durch den Unfall kausal bedingten Beeinträchtigungen seines körperlichen Wohlbefindens entstanden sind bzw. zukünftig noch entstehen. Hierzu könne gehören: Angepasste Kleidung, Körperversorgung und –pflege, Fahrtkosten für Arztbesuche, Prothesen, Brillen, Umbaukosten für ein Kraftfahrzeug, Schaffung einer behindertengerechten Wohnung, elektronische Schreib- und Lesehilfen.
21. Heilbehandlungskosten
Notwendige angefallene medizinische Heilbehandlungskosten müssen vom Schädiger ersetzt werden.
22. Erwerbsschaden
Kann der Geschädigte durch das Unfallereignis seinen Beruf nicht mehr ausüben, entsteht ihm ein Erwerbsschaden, der in voller Höhe zu ersetzen ist. Der Anspruch wird durch das Renteneintrittsalter begrenzt. Bei der Bemessung des Schadens sind etwaige Lohn- und Gehaltsentwicklungen zu berücksichtigen. Bei Arbeitslosen ist die Entwicklung des Arbeitsmarktes zu berücksichtigen. Bei Geschädigten, die sich im Studium oder der Ausbildung befunden haben, ist deren Entwicklung zu prognostizieren, unter Berücksichtigung der Entwicklung von Eltern und Großeltern.