Dunkelheitsunfälle sind aufgrund der verminderten Wahrnehmung durch die Dunkelheit eine Königsdisziplin der Unfallrekonstruktion. Aufgrund der Dunkelheit kann schnell ein anderer Verkehrsteilnehmer nicht wahrgenommen werden.
Eine Sonderrolle nimmt der Dunkelheitsunfall bei einem Fußgängerunfall ein. Es geht dann oft um die Kernfrage, aus welcher Entfernung der von einem Pkw erfasste Fußgänger zu erkennen war.
Im Gegensatz zum Tageslichtgeschehen dem Erkennen des Fußgängers dem Wahrnehmen und der Sehvorgang vorgeordnet.
Mit dem Begriff Sehen verbindet man das Registrieren von sich verändernden Helligkeitsunterschieden, die aber eine Formerkennung noch nicht beinhaltet.
Wenngleich unser Visus (medizinisch für “Sehstärke” oder “Sehschärfe”) in der Lage ist, viele Eindrücke aufzunehmen, so bedarf es dennoch eines Mindestreizes, also eines Gefahrensignales, um eine Reaktion beim Autofahrer auszulösen. Im Rahmen der optischen Wahrnehmung seiner Umgebung wirkt eine Fülle von Eindrücken auf den Fahrzeugführer ein, die er bewerten muss; nicht alle sind von Bedeutung. Es findet also eine stetige Beurteilung des vor dem Pkw liegenden Bereiches durch den Fahrzeugführer statt, was vor Augen führt, dass es für die Bestimmung der Erkennbarkeitsentfernung eines Fußgängers bei Dunkelheit wenig sinnvoll ist, einen Ortstermin durchzuführen. Weiß man nämlich, von wo der letztlich später verunglückte Fußgänger sich über die Straße bewegte, so wird man natürlich zielgerichtet sein Augenmerk dorthin lenken und ihn logischerweise früher registrieren, als im Falle des unvorbereiteten Beobachters. Dieser weiß ja von der Existenz des (später die Straße querenden) Fußgängers noch nichts.
Deswegen verbietet es sich auch, die für Tageslichtbedingungen relevanten Basisreaktionsdauern (in der Regel 0,8 bis 1 s) auf das nächtliche Straßenverkehrsgeschehen 1:1 zu übernehmen.
Betrachtet man hierzu die nachfolgende Abbildungen, so ist für den Fahrzeugführer hier offensichtlich, dass der links am Fahrbahnrand befindliche Fußgänger aufgrund der Gehposition im Begriff ist, in den Fahrbahnbereich hineinzutreten. Man spricht gemeinhin von einer “einfachen Sehaufgabe”.
Der Gefahrerkennungsprozess setzt hier also augenblicklich ein, es ist aufgrund der Umgebungshelligkeit klar, dass es sich um einen in die Fahrbahn hineinschreitenden Fußgänger handelt.
Bei Dunkelheit kann dies völlig anders aussehen; hier muss der von links herannahende Fußgänger erst einmal auch als solcher erkannt werden – wird vom Auge ein Helligkeitsunterschied (oftmals vom Fahrer als Schatten bezeichnet) registriert, so ist noch nicht sofort klar, dass es sich dabei auch um einen Fußgänger handelt – es könnte ja auch am linken Fahrbahnrand z.B. eine Mülltonne stehen, von der natürlich für den Pkw-Fahrer keine Gefahr ausgeht. Es liegt auf der Hand, dass also der eigentlichen Abwehrhandlung der Seh- und Wahrnehmungsprozess vorausgeht, der eine gewisse Zeitdauer beinhaltet.